Aus dem Archiv der Gitananda Yoga Gesellschaft Deutschland
e. V.
02.03.2009
Rituale:
den Himmel auf Erden erschaffen
Von Yogacharini
Meenakshi Devi Bhavanani
Die Unterscheidung in Ideal
und Wirklichkeit hat schon immer ein Dilemma für die denkenden und gedankenvollen
Menschen dargestellt. Auf der einen Seite existiert dieser in der Vorstellung
ausgemalte, perfekte Zustand der Dinge, und am anderen Ende der Stange: Das Wesentliche,
das irdische, alltägliche Leben.
Künstler haben lange versucht, diesen Zwischenraum,
diese Lücke zu schließen, indem sie Schönheit erschaffen haben, die noch nicht
existiert hat, um eben diese weltliche Herrlichkeit vor die handfeste, sichtbare
Sinnesrealität zu bringen. Musiker, Bildhauer, Maler, Poeten, Schriftsteller,
Tänzer und Schauspieler, sie alle haben versucht, das
Ideale real zu machen,
es für menschliche Sinneswahrnehmung erfahrbar zu machen. Aber wenn der Vorhang
fällt, wenn man nach dem Lesen der letzten Seite das vielgeliebte Buch schließt,
wenn man das Museum verlässt, wenn die Lichter ausgehen, ist man mit einem Plumps
zur Erde zurückgebracht.
Die Rishis haben entdeckt, daß man durch verschiedene
rituelle Gebräuche
auf beständigere Weise das
Ideale real machen
kann. Ebenso kann die Heiligkeit, die das Weltliche beleuchtet, angerufen und
in ein eigenes System eingefügt werden. In der Hindu-Lebensart finden sich viele
dieser Rituale und sie flößen der täglichen Realität das hell scheinende Licht
des
Ideals ein. Ein einfaches, tägliches Ritual, das diesem Zweck dient,
ist das morgendliche und abendliche Anzünden der Öllampe, die ein sanftes Leuchten
von Behaglichkeit auf die wichtigen Wendungen des Tages wirft.
Zum Gruß an
die aufgehende Sonne werden verschiedene Mantras und rituelle Gesten benutzt.
Auf die Türschwelle werden Kholams und geometrische, yantrische Strukturen gezeichnet,
um in all denen, die eintreten, ein Gefühl für das Wunderbare zu erzeugen. Die
Flamme wird vor den Götterbildern (
Idealen), die im Pujaraum des Heims
aufbewahrt werden, hin und her geschwenkt. Eine Portion Essen wird den Krähen
und anderen Tieren angeboten, bevor die Mahlzeit eingenommen wird. Räucherstäbchen
werden vor dem Familienschrein entzündet. Verschiedene Mantras werden entsprechend
der Tageszeit gesungen.
Dies nur, um ein paar der rituellen Handlungen zu
beschreiben, die der weltlichen Seite des täglichen Lebens Struktur, Würde und
Bedeutung geben. Auf längere Sicht machen weitere, sorgfältig ausgeführte Rituale
die Schönheit der verschiedenen "Übergangsriten" anschaulich: Geburt, Namensgebung,
erste feste Nahrung, Ohrlochung, Erlangen der Geschlechtsreife, Heirat und Tod.
Alle haben Ihren Platz in einem "
idealen" System, das die Wichtigkeit und
Bedeutung des Moments mit rituellen Worten, Gedanken und Taten erhellt.
Ebenso
wird die Verehrung des Gurus mit bedeutsamen Ritualen zum Ausdruck gebracht, die
versuchen, die prächtige Schönheit der Gegenwart des Gurus einzufangen. Das
Ideal
wird greifbar und real durch die Rituale, insbesondere wenn sie auf gültigen,
urbildlichen Symbolen gegründet sind, die als Brücke zwischen der Unbewusstheit
des
Samskara und der Bewusstheit des "In diesem Moment", des bewussten
yogischen Lebens dienen.
Übersetzung: Markus Häussler
Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie: "Die Samskaras sind die Übergangsrituale
im Hinduismus. Die Tradition kennt bis zu vierzig Samskaras, von denen die Schriftgelehrten
zwölf besonders beachtet haben. Drei sind für alle "Zweimalgeborenen" unverzichtbar:
Initiation, Heirat, Totenritual".
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